Windlast: Schlüsselfaktoren bei der planung – Teil 1
Die Windlast ist eine der Schlüsselkräfte, die auf die Tragfähigkeit und Stabilität von Bauwerken einfließt, egal ob es sich um ein Gebäude, eine Brücke, einen Turm oder irgendein anderes im Offenen befindenden Bauwerk bzw. ein Bauwerk handelt, das klimatischen und atmosphärischen Einflüssen ausgesetzt ist. Diese Voraussetzung wird selbstverständlich von den meisten Bauwerken erfüllt. Ausnahme davon sind z. B. Industrieplattformen in geschlossenen Gebäuden oder Hallen, die entsprechend von Windeinwirkungen geschützt sind. Wind wirkt vertikal auf die Oberflächen der Bauwerke (und parallel bei Windreibung), was meistens globale horizontale und abhebende Kräfte verursacht, die zu einem Verlust des globalen Gleichgewichts des Bauwerks (Kippen, Verrutschen oder Abheben des Bauwerks), einer Erhöhung der inneren Kräfte in den Elementen und Verbindungen, oder gar einer Beschädigung der Elemente und Verkleidungen führen können, wenn die Konstruktion nicht fachgerecht geplant ist.
Die Windeinwirkung auf Bauwerke ist von Natur aus eine dynamische Wirkung, wird aber in der Analyse von Bauwerken als statische Wirkung betrachtet. Die Intensität der Windkraft hängt vom Standort der Bauwerke (Windgeschwindigkeit, Luftdichte, Orographie und Unebenheit des Geländes) sowie von der Form und Geometrie des Bauwerks selbst ab. Die von Ingenieuren zur Bestimmung dieser Belastung verwendeten Regeln sind in verschiedenen Normen wie z. B. Eurocode 1 (EN 1991-1-4), ASCE7 oder AS/NZS 1170.2 festgelegt. Das Verständnis der vom Wind auf und in den Bauwerken verursachten Wirkungen ist bei der Gewährleistung der Sicherheit der Bauwerke und ihrer Dauerhaftigkeit von bedeutender Hilfe, insbesondere in den Bedingungen immer häufiger auftretender klimatischer Extreme. Deshalb werden wir in diesem Text unterschiedliche Typen von Bauwerken, die vom Wind bei ihnen verursachten Besonderheiten und Wirkungen sowie die besonders zu beachtenden Punkte aufführen.
Gebäude
Wir fangen natürlich mit Gebäuden an. Egal ob es sich um ein Wohn- oder Geschäftsgebäude oder eine Industriehalle handelt, die Natur der Windlast wird von der Form dieses Bauwerktyps selbst diktiert. Beziehungsweise, dieser Typ des Bauwerks wird im Sinne der Windlast als Bauwerk mit Dach definiert, das von allen Seiten mit Wänden oder Fassadenverkleidung geschlossen und mit Öffnungen in der Verkleidung in einem kleinen Prozentsatz versehen ist (die Beschränkungen hinsichtlich des Prozentsatzes der Öffnungen selbst sind in den Normen definiert). In den meisten Fällen hat der Wind keine maßgebliche horizontale Wirkung auf Beton- und Verbundbauwerke in seismischen Zonen, wo wegen der größeren Masse der Bauwerke die resultierenden seismischen Einflüsse weitaus höher als die Windeinflüsse sind. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, und das sind Hochhäuser (Wolkenkratzer), wo die dynamischen Wirkungen auf das Bauwerk bzw. die Möglichkeit des Auftretens einer Resonanz zu überprüfen sind.
Stahlkonstruktionen im Gebäudebau, insbesondere bei Hallen, sind viel empfindlicher auf die Windeinwirkung (im statischen Sinn) im Vergleich zu den seismischen Wirkungen, gerade wegen der geringeren Masse der Bauwerke im Vergleich zu Betonkonstruktionen der gleichen Größe. Wind wirkt auf die Wände und das Dach des Bauwerks mit Druck- oder Scherkräften. Der Druck des Windstoßes wird nach den in der Norm gegebenen Begriffen bestimmt und dient der Funktion der Höhe des Bauwerks. Wind wirkt auf die Außenflächen des Bauwerks, aber auch auf die Innenflächen, weil Öffnungen in der Verkleidung bestehen oder die Verkleidung selbst durchlässig oder porös ist. Diese Wirkungen wurden über den Außen- und Innendruckkoeffizienten berücksichtigt (im Eurocode als cpe und cpi gekennzeichnet). Die Werte dieser Koeffizienten sind für Wände und Dächer gegeben und dienen der Geometrie und den Abmessungen dieser Konstruktionseinheiten, bzw. der Form und den Abmessungen der Basis und der Form des Daches (Flachdach, Pultdach, Satteldach usw.) und der Neigung und den Abmessungen der Dachebene.
Im Eurocode sind die Werte der Druckkoeffizienten für vertikale Wände nur für Gebäude mit quadratischer oder rechtwinkeliger Basis gegeben, während wir in der Praxis häufig mit Basen unregelmäßiger Form zu tun haben. In diesem Fall können wir Näherungswerte errechnen und die Basis in bestimmte Einheiten aufteilen und die im Eurocode gegebenen Regeln auf diese Weise anwenden, oder eventuell eine andere einschlägige Norm suchen, in der wir die Druckkoeffizienten für den gewünschten Fall finden können. Beispielsweise befinden sich in der zurückgezogenen britischen Norm BS 6399-2 (wurde vom Eurocode selbst ersetzt, aber im weiteren Text sind keine Bestimmungen aufgeführt) Anweisungen zur Bestimmung der Werte der Druckkoeffizienten und der Abmessungen der Wirkungszonen für bestimmte Gebäudetypen mit inneren Ecken im Winkeln von 180° oder weniger und Einbaubuchten* (English: re-entrant corners und recesed bays) sowie für Gebäude mit unregelmäßigen Höhensegmenten.
Die Situation ist auch für Druckkoeffizienten für Dächer ähnlich. Wenn wir in den offiziellen Normen keinen geeigneten Fall finden können, müssen wir eine andere Methode zur Bestimmung dieser Werte finden. Einen solchen Fall hatten wir an einem in den USA umgesetzten Projekt für eine Halle mit gitterförmigem Bogendach. In diesem Fall wurde die Analyse der Windlast nach der ASCE7-Norm durchgeführt. Diese Norm enthält keine Koeffizienten für die Bogengeometrie des Daches, sodass wir nach der Genehmigung des verantwortlichen zertifizierten Ingenieurs aus den USA die Werte und die Verteilung dieser Belastung nach der kanadischen NBC-Norm, in der die Koeffizienten für diese Dachform enthalten ist, bestimmt haben.
Es ist äußerst wichtig, zu betonen, dass die Anwendung von Normen, die in einem bestimmten Land nicht offiziell sind, wie z. B. die Anwendung der NBC-Norm in den USA, oder die Anwendung von nicht mehr gültigen Normen, wie z. B. die genannte BS-Norm, im Bericht zu den Berechnungen des Bauwerks besonders betont werden muss und dass deren Anwendung durch das Aufsichtsorgan, die technische Kontrolle oder eine andere autorisierte Person genehmigt werden muss. Zuvor ist es natürlich erforderlich, dass der Planer selbst zunächst ermittelt, ob die Anwendung dieser Normen gerechtfertigt ist, und dabei wird ihm sein Verständnis des Verhaltens und der Interaktion des Windes und des analysierten Bauwerks von großer Hilfe sein.
Vordächer
Im Zusammenhang mit der Analyse der Windlast wird das Vordach als Dach eines Bauwerks ohne permanente Wände definiert. Das ist wichtig, weil sich die Luftströmung selbst im Vergleich zum Gebäude mit Wänden unterscheidet. Ein weiterer für die Luftströmung sehr wichtiger Punkt ist das Vorhandensein von Hindernissen für die freie Luftströmung unter dem Vordach. Eurocode bezeichnet das als Grad der Sperrung. In Abhängigkeit von diesem Koeffizienten variiert auch die Intensität der Kraft. Denn in Abhängigkeit vom Wert des Grades der Sperrung sind unterschiedliche Druckkraftkoeffizienten gegeben– je größer der Grad, desto größer ist auch der Druck der Windeinwirkung, der auf die untere Seite des Daches wirkt. Es ist wichtig, den Koeffizienten der globalen Kraft (cf) vom Koeffizienten des Nettodrucks (cp,net), die in den Tabellen im Eurocode gegeben sind, zu unterscheiden.
Der Koeffizient der Gesamtkraft wird für den Erhalt der resultierenden auf das Dach wirkenden Kraft verwendet, während die Koeffizienten des Nettodrucks für den Erhalt lokaler Drücke verwendet werden, die an den Rändern des Daches am größten sind und bei der Berechnung der Dacheindeckung und ihrer Verbindungselemente verwendet werden. Wenn man die Tabelle mit den Werten der Koeffizienten betrachtet, sieht man, dass die Koeffizienten des Nettodrucks größere Werte als der Koeffizient des Gesamtdrucks haben, so dass man sich sehr leicht täuschen kann, dass dieser Fall ungünstiger ist und bei der Berechnung des Bauwerks verwendet werden sollte. Wenn man jedoch das Bild in der Tabelle 7.6 und 7.7 im Eurocode betrachtet, sieht man, dass die Zonen, auf welche die über den Koeffizienten des Nettodrucks erhaltenen Drücke wirken, symmetrisch entlang der Dachkontur verteilt sind, und dass die Zonen mit den größten Koeffizienten eine relativ kleine Fläche entlang der Ränder des Daches einnehmen. Betrachten wir andererseits die Bilder 7.16 und 7.17 im Eurocode, sehen wir, dass die resultierende über den Koeffizienten des Gesamtdrucks erhaltene Kraft bei einem Abstand von der Windseite wirkt, der einem Viertel der Länge des Daches parallel mir Windblasrichtung entspricht.
Was bedeutet das eigentlich? Stellen wir uns vor, dass wir ein Vordach mit einem flachen quadratischen Dache haben, das sich in allen vier Ecken auf Säulen stützt. Wenn die Belastung symmetrisch ist, erhalten wir eine resultierende Kraft, die auf den Schwerpunkt des Daches wirkt, d. h. in der Mitte, bei einem Abstand d/2 von den Säulen. Diese Kraft wirkt gleichmäßig auf die Säulen des Bauwerks als Spannkraft in ihnen und wird über die Anker weiter auf das Fundament übertragen (wird sind natürlich davon ausgegangen, dass es sich um ein Vordach aus Stahl handelt, aber das Prinzip ist das gleiche für jeden Materialtyp). Aus den grundlegendsten Kenntnissen der Statik können wir jedoch schließen, dass, wenn die Kraft näher an der Stütze ist (in diesem Fall der Säule), wie z. B. die über cf erhaltene Kraft, ist entsprechend auch die Reaktion der näheren Stütze höher, was in diesem Fall die Spannkraft in der Säule und weiter in den Ankern ist.
Somit kann es zur Situation kommen, dass, selbst wenn die resultierende symmetrische Belastung cp,net höher als die Gesamtkraft ist, die relevante Reaktion der Stütze höher in dem Fall der Kraft cf sein kann. Die Stahlsäule wird wahrscheinlich kein Problem mit der erhöhten Spannkraft haben (die Erhöhung der Kraft soll aber auf jeden Fall berücksichtigt werden) – jedoch werden die Anker, der Beton, der die Anker umgibt, sowie die Erhöhung der abhebenden Kraft, von der die globale Stabilität bzw. das Abheben des Fundaments beeinträchtigt wird, in Frage gestellt. Das kann sehr leicht der Fall sein, wenn das Fundament anhand des Kriteriums der Tragfähigkeit des Betons berechnet wurde, wo es zur Situation kommen kann, dass ein Fundament mit kleinen Abmessungen bzw. niedrigem Gewicht genehmigt wird, der dieser anhebenden Kraft nicht standhalten kann. Bei der globalen Stabilität ist das natürlich nicht die einzige Wirkung, die falsch analysiert werden kann, wenn symmetrische Belastungen verwendet werden. Bei einem Schrägdach erhalten wir – da die resultierende Kraft auf einem Viertel der Länge wirkt – einen höheren Kippmoment, der wiederum die globale Stabilität des Bauwerks beeinträchtigt, und es kommt auch zu einer anderen Verteilung der Kräfte in den Stützen. Mit der Erhöhung der Neigung des Daches wird diese Wirkung zusätzlich erhöht, und in den Bildern unter haben wir eine Analyse gemacht, um diese Situation besser zu schildern.
Das erste Bild zeigt die Wirkungen, die bei einem Flachdach auftreten. Wie bereits erwähnt, lässt sich intuitiv schließen, dass die Reaktion der Stütze höher ist, wenn die Kraft näher an der Stütze ist.
Das zweite Bild zeigt die Wirkungen der Neigung des Daches. Es ist ersichtlich, dass infolge zusätzlicher Einflüsse des Kippmoments, der auf das gesamte Bauwerk wirkt, einerseits die Reaktion der an der resultierenden Windkraft näher liegenden Stütze (linke Stütze) höher im Vergleich zu dem Fall ist, wenn die Kraft in der Mitte der Spanne wirkt, und andererseits auch die Reaktion der von der Windkraft weiter liegenden Stütze (rechte Stütze) ein anderes Zeichen haben kann! Die Intensität und das Zeichen der Reaktion hängen natürlich von der Geometrie des Bauwerks und dem Wert der Windkraft ab, aber das ist nur ein anschauliches Beispiel dafür, wie wir mit einer falschen Annahme von Koeffizienten den Wert der Kraft in der Säule und der Verbindung zum Fundament unterschätzen können.
Diese Situation mit den Druckkraftkoeffizienten ist der Situation in der ASCE7-Norm sehr ähnlich, wobei es hier vielleicht eher nicht zu einer Täuschung kommen kann (persönliche Meinung), weil die Kraftkoeffizienten klar nach Kapiteln getrennt sind. Die Kraftkoeffizienten für das Hauptbauwerk (in der Norm „main wind force resisting system – MWFRS“ bezeichnet) sind in Sonderkapiteln gegeben (zwei verschiedene Prozeduren), während die Druckkoeffizienten für die Verkleidungen in einem anderen Kapitel gegeben sind. Wenn man die Druckverteilung auf das Dach für MWFRS betrachtet, ist es klar ersichtlich, dass die näher an der Windseite liegenden Werte der Windkraft höher sind, während die Situation für die Berechnung der Verkleidung mit der Situation im Eurocode sehr ähnlich ist – die höchsten lokalen Drücke wirken entlang der Ränder des Daches und fallen zur Mitte des Daches ab.
Was, Wenn Eine Wand Vorhanded Ist?
Kommen wir jetzt zum Grad der Sperrung zurück. Im Eurocode ist die Sperrung als ein Hindernis für die Luftströmung gedacht, wie z. B. Fahrzeuge oder gelagerte Waren (zumindest nach den im Kapitel für Vordächer gegebenen Skizzen). Dieses Hindernis kann natürlich auch eine Wand sein. Andererseits ist angegeben, dass ein Vordach ein Bauwerk ohne permanente Wände ist. Unbeachtet dieser Definition können wir dieses Dach als Vordach betrachten, weil letzten Endes die Natur der Luftströmung unter dem Dach wichtig ist, und nicht die Definition des Vordaches in der Norm. Wir betonen das jedoch aus einem anderen Grund: wie analysiert man diese Wand auf Windeinflüsse? Und was, wenn mehr als eine Wand vorhanden ist? Eurocode sieht diese Situation leider nicht vor. Wenn eine Wand vorhanden ist, können wir diesen Fall natürlich nach den im entsprechenden Kapitel gegebenen Regeln für Wände und Brüstungen analysieren.
Wenn jedoch mehr als eine Wand vorhanden ist, wird die Situation komplizierter. Wir können auf jeden Fall die zuvor genannten Regeln weiterhin anwenden und bestimmte Näherungswerte berechnen, aber werden wir auf diese Weise die reale Luftströmung und Winddrücke darstellen und werden wir alle erforderlichen Windrichtungen analysieren? Diese Fälle können natürlich als offene Gebäude kategorisiert werden, dennoch erwähnen wir sie im Teil im Zusammenhang mit Vordächern. In diesem Fall können wir ebenso alte Normen heranziehen, wie z. B. die deutsche DIN 1055-4 oder die bereits erwähnte BS 6399-2. Diese Normen sehen diese Situation vor und geben die Innendruckkoeffizienten für Gebäude, die von einer, zwei oder drei Seiten geöffnet sind, sowie die zu analysierenden relevanten Windblasrichtungen. ASCE 7 klassifiziert zudem Gebäude nach dem Grad der Öffnung in den Gebäudehüllen und gibt dementsprechend die Innendruckkoeffizienten.
CFD-Analyse
Für Fälle, die nicht mit Normen abgedeckt sind, können auch fortschrittliche Analysen unter Nutzung einiger auf dem Markt verfügbarer CFD (Computional Fluid Dynamics) Software-Tools gemacht werden. Für den Bedarf eines Projektes für ein Vordach für einen Parkplatz, der von drei Seiten geschlossen ist (oder laut einigen Definition Gebäude, das von einer Seite geöffnet ist) haben wir die Testversion der Software RWIND verwendet, um uns einen besseren Eindruck über die Luftströmung um und innerhalb des Vordaches zu verschaffen und die Ergebnisse mit den Ergebnissen aus den jeweiligen zuvor angeführten Normen zu vergleichen. Obwohl wir keine Experten in der CFD-Analyse sind (zumindest noch nicht), sind wir zu Ergebnissen gekommen, die uns realistisch erscheinen und mit den Informationen aus den Normen vergleichbar sind.
Hiermit schließen wir den ersten Teil des Textes ab, in dem wir die wichtigsten Punkte bearbeitet haben, die bei der Analyse der Windlast auf Gebäude und Vordächer zu berücksichtigen sind. Im folgenden Teil des Textes werden wir auf andere Typen von Bauwerken eingehen, wie z. B. Brücken, gitterförmige Bauwerke und Schornsteine.
Wir hoffen, dass dieser Text Ihnen hilfreich war und einen klareren Einblick in die Wichtigkeit der Analyse der Windlast verschaffen hat. Wir freuen uns, Ihnen im folgenden Teil weitere Details vorzustellen und laden Sie ein, uns zu folgen, um mehr zu den Sicherheitsaspekten bei der Planung unterschiedlicher Typen von Bauwerken erfahren.